Mein Abschlag ganz kurz erwähnt:
Das ist wirklich eine Kunst. Denn der Ball ist so klein, das Fairway samt Roughs, Wasserhindernissen, Bunkern etc. so weit, das Eisen bzw. Holz so eigenartig geformt und meine Körperbeherrschung etwas unkoordiniert. Aber das alles hat wohl seine Richtigkeit.
Zum Ablauf, wie ich ihn noch im Kopf habe:
Ich streife mir links einen eleganten weißen Lederhandschuh über und fühle mich dadurch allein schon unwahrscheinlich sportlich und den oberen Zehntausend zugehörig. Meine Stimmung ist bestens. Sofort lege ich mir einen Golfball, dem man den Wunsch nach einem hohen und weiten Flug schon ansieht, auf mein in der Drivinig Ranch herausragendes Tee. Ich fasse mir das 7er Eisen und beginne, meine Finger um den Schaft zu wickeln. Der Zeigefinger der linken Hand verhängt sich gekonnt mit dem kleinen Finger der rechten Hand. Wenn ich nun vor dem Wunder Golfball stehe und ihn "anspreche", ist ja die Welt noch in Ordnung. Locker bemesse ich den Abstand, während der Golfball gedanklich in die verlängerte Mitte meiner beiden Füße platziert wird. Eine Schlägerkopfbreite trete ich nach links, leicht ausgestellt, zwei Schlägerkopfbreiten trete ich nach rechts, stelle den Fuß gerade hin, gehe leicht in die Knie, beuge mich eine Nuance vor und ich fühle mich wie Tiger Woods am Beginn seiner Karriere.
Mit dem Gedanken an die perfekte Haltung beginne ich mich mental auf einen Siegerabschlag einzustellen. Aber ..... sobald meine Bewegung zum Ausholen losgeht, fangen meine Knie an, sich durchzustrecken (was sie nicht dürfen), mein Kopf verweigert die starre Haltung, den Ball im Auge zu behalten, wobei ich aber sehr bemüht bin, diese Lehre umzusetzen. Während meine Schulter sich vors Kinn schiebt und gleichzeitig die linke Hand steif wie ein Brett - die rechte Hand leicht abgewinkelt - nach rechts über 9.00 Uhr hinaus ausholt und das Eisen hochreißt und während die Hüfte - anstatt stillzuhalten - in Bauchtanzeuphorie verfällt, erkenne ich, dass irgendetwas unrund läuft. Und nun habe ich erst ausgeholt. Wo soll das enden? Wahrscheinlich nicht beim Ballkontakt, wie ich still erahne! Meine Herztätigkeit nimmt zu.
Beim Anvisieren des Balles mit dem Schläger komme ich in Hektik und hoffe, dass ich den Ball treffe. Wenn da nicht alle Faktoren dagegen sprechen würden wie z.B. zu hoch, zu früh, zu weit vorne oder - noch viel schlimmer - ich treffe gar nicht. Ich erkenne in diesem kurzen Moment des Nullkontaktes: Ich bin doch kein Golfwunder.
Nichts desto trotz führe ich meinen Abschlag nun weiter bis zum bitteren Ende. Auch wenn der Ball "nicht" getroffen wurde, es geht weiter. Diese Größe muss man dann einfach haben. Es geht dem Trainer darum, dass ich Haltung zeige und meine Figur beim Abschlag auch ein Ende findet. Und wer will den ultimativen Trainer John enttäuschen - keiner! Also wird nach enttäuschendem Nullkontakt mit dem Ball der Schlag weiter ausgeführt, als ob nichts gewesen wäre. Einfach Augen zu und durch und allen Disharmonien zum Trotz wird der Schwung nach links weiter ausgeführt, das 7er-Eisen bewegt sich weit über die Ziellinie hinaus. Augenblicklich und ohne zu zögern wird das linke Bein belastet - die Erdanziehungskraft wirkt sich auf die rechte Schulter nach wie vor mehr aus als auf die linke Schulter und jedes zu frühe hochgehen oder drehen verkneife ich mir (bei jedem 20. Versuch 1 x). Ich werfe mir den Schläger euphorisch um den Hals und strecke das rechte Bein gekonnt wie eine Primaballerina bis zur Zehenspitze durch, schiebe meine Hüfte nach links, bis ich den Ischiasnerv als lästige Randerscheinung wahrnehme, während ich in dieser verzweifelten Lage Kniekontakt von rechts nach links suche.
Ich schaue in das Land hinaus, während mein Speedgolfball, mein Hoffnungsträger, enttäuscht und zerknirscht am Tee ruht und meine Stellung aus dem Hinterhalt beobachtet.
20.30 Uhr
Wenn der Abend hereinbricht und es ändert sich nichts an der unmittelbaren Umgebung, wirst du müde, dir diese anzuschauen. Was ja gut wäre am Abend. Der Tag endet, wie die Nacht beginnt. Das setzt sich fest und trotzdem versuchst du den Rhythmus zu finden.
21.00 Uhr
Zähneputzen, innere Einstellung prüfen und erkennen: Es wird Zeit ins Bett zu gehen. Aus dem man gerade mal vor 20 Minuten gestiegen ist. Weil die Möglichkeiten so begrenzt sind, denn außer einem Tisch und zwei Sesseln befindet sich ja nichts im Zimmer. Eine Waschmuschel hat man auch, eine Brause, die man allerdings momentan nicht benützen darf. Der Fernseher hängt schweigend an der Wand. Wie ein schwarzes Loch.
21.20 Uhr
Die Entscheidungsfrage: Sehe ich fern oder lese ich? Oder mache ich das 561. Sudoku? Der Ehrgeiz liegt flach. Die Motivation muss sich wohl verkrochen haben. Dieses Zimmer ist keine Herausforderung. Ah – jetzt gähne ich. Ein gutes Zeichen. Da brauche ich sicher keine Schlaftablette wie die Nächte davor. Nein – heute schlafe ich wie ein Baby. Kaum sind die Augen zu, ist der Geist hellwach. Stellt mir blöde Fragen wie „regnet es draußen?“, „willst du echt schlafen?“ – „Ist dir nicht zu heiß?“ usw. Augen auf.
22.00 Uhr
Na gut – dann schau ich mir eben noch einen Film an. Durchgezippt – endlich gefunden – eine Schnulze. Ein Film zum Einschlafen. Kurz bevor sich die beiden kriegen (oder vielleicht auch nicht) fallen mir die Augen zu. Nein, so kurz vor dem Schluss nicht – schnell noch einmal geblinzelt – oh ein trauriges Ende.
23.30 Uhr
Hellwach. Wieso tut mir das Tom Hanks an? Verwandelt sich vom Liebhaber in einen 13-jährigen Knaben. Kein Happy End für die Liebe. Schmarrn. Das raubt mir den Schlaf. Aber dir werde ich es zeigen. 2 Baldriantabletten werden eingeworfen, das Licht abgedreht - endlich Stille. Augen zu.
24.00 Uhr
Aber mir ist doch zu heiß. Ich muss das Fenster weiter aufmachen, dann schlafe ich sicher super. Also raus, Fenster auf, rein ins Bett, Augen zu. Es regnet – nein, es schüttet. Hoffentlich regnet es jetzt beim Fenster nicht herein. Sollte ich es doch nur kippen? Die Überlegungsphase turnt mich richtig an.
0.30 Uhr
Schnell wieder raus aus dem Bett, Fenster gekippt, rein ins Bett, Augen zu. Jetzt höre ich Kuhglocken. Echt schön diese Natur. Bimmel-Bammel! Dabei schlafe ich jetzt sicher gleich. Nur, warum kann die Kuh nicht gleichmäßig bimmeln? Ich wälze mich im Bett herum.
1.00 Uhr
Aber Vorsicht – da gibt es ja noch die undichte Stelle auf meinem Rücken. Habe ich noch nicht gesagt, dass ich vor einer Woche operiert wurde? Nicht an der Blase – keine Angst. Am Rückgrat. Nicht, weil ich keines hatte – es war nur etwas zu beweglich. Na ja – ist ja jetzt nicht so wichtig. Nach dem Nähte rausgeben wars ungefähr so, wie wenn man die Heizung entlüftet. Plötzlich lag ich in einer Pfütze im Bett. Nicht tragisch, nur unangenehm. Besser es ist rausgekommen als drinnen geblieben. Oh – jetzt merke ich, das Ventil ist noch nicht zu. Wer hat denn das vergessen. Ich feuchtel schon wieder. Also läuten und schon wird wieder alles gewechselt.
2.00 Uhr
Gut, aber jetzt schlafe ich. Augen zu. Danke liebe Schwester für einen Baldriansaft. Eine Tablette bekomme ich nicht mehr, ist schon zu „früh“. Aha, da wäre ich am nächsten Tag dann zu müde. Haha! Wenn ich nicht schlafen kann, bin ich morgen aber auch müde. Keine Tablette. Licht aus.
2.30 Uhr
Ist mir der linke Fuß eingeschlafen? Und die linke Hand? Hängt das mit meinem Ventil zusammen? Soll ich mir Sorgen machen? Nein – Augen auf. Mein Gott, bin ich munter. Natürliche Entleerung ist angesagt, also raus aus dem Bett.
3.00 Uhr
Rein ins Bett, Augen zu. Der Geist jubiliert „ich bin aber nicht müde“. Ich horche auf meinen Atem, zähle von 1 bis 20 und retour, so an die 15 x. Meine Gedanken schweifen ab. „Habe ich zugenommen – das Essen ist echt super – mein Bauch fühlt sich mollig an. Die richtige „Bettschwere“ hätte ich also. Schmarrn!“ Das schau ich mir Spiegel an. Raus aus dem Bett.
4.00 Uhr
War keine gute Idee. Jetzt habe ich einen Schock. Wahrscheinlich einen hohen Blutdruck.
Mit dem schlafe ich doch nie ein. Man ist um 4.00 Uhr einfach nicht mehr munter. Oh, die Schwester besucht mich. Nett. Nein, ich kann nicht schlafen. Sie rät mir, vielleicht fern zu sehen. Gute Idee! Sie kontrolliert noch mal mein Ventil – alles dicht. Außer mein Schlafrhythmus ist ja eh alles bestens.
4.38 Uhr
Handy macht „ding,dong,dang“. SMS!! Juhu!! „Ach, hab ich dich geweckt? – Kann doch nicht sein. Warum gehst du ans Handy?“ Ich bewahre Ruhe – davon habe ich ja genug und schreibe zurück „Nein, nein, ich bin eh munter – macht gar nichts!“. „ding,dong,dang“ – mein SMS ist draußen. Augen zu.
5.00 Uhr
Die Musik im Fernseher zur Krankenhausinfo ist ja echt entspannend. Super. Wenn ich die Augen zu habe, sehe ich die Bilder eh nicht. Endlich habe ich das Gefühl, zu ruhen. Ein paar Minuten werden es schon gewesen sein, die ich nun eingenickt bin.
5.30 Uhr
Dienstschluss der Nachtschwester. Sie kommt sich verabschieden. Nett. Ich wünsche ihr einen schönen Tag, sie mir eine schöne Nacht. Dann korrigiert sie sich „auch schönen Tag“. Danke.
Das Badezimmer ruft – ich stürze mich über meine Körperpflege. Der nicht stattgefundene Schönheitsschlaf hat ganz schön was angerichtet. Zum Glück ist mein Mann nicht da. Die Scheidungsraten sind eh schon hoch genug. Meine Reparaturarbeiten gestalten sich aufwendig, aber ich gebe nicht auf. Meine Behinderung lässt mich schwer durchatmen, während ich versuche, die Haare zu bändigen. Müde und geschwächt ergibt „traurig“. Nur nicht aufgeben.
6.15 Uhr
Fertig. Gestylt sitze ich im Bett. Nicht mal den Lippenstift habe ich vergessen. Ohne wärs echt grausam gewesen. Dann fange ich zu schreiben an. Was? Das verrate ich jetzt nicht.
7.00 Uhr
Ich wecke telefonisch meinen Mann, der mir mit brummiger Stimme sexy durchs Telefon flüstert, dass er zwar nur ein 1,90 m-Bett hat (bei seiner Größe eine Gemeinheit), aber er hätte trotzdem geschlafen wie ein Baby. Ich habe ihn aus seinen Träumen gerissen. Obwohl ich flöte „das tut mir aber leid“. lächle ich etwas bösartig vor mich hin. Wieso bloß?
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